Freitag, 29. Januar 2010

MORGENTAU

von
Adalbert von Chamisso


Wir wollten mit Kosen und Lieben
Genießen der köstlichen Nacht.
Wo sind doch die Stunden geblieben?
Es ist ja der Hahn schon erwacht.

Die Sonne, die bringt viel Leiden,
Es weinet die scheidende Nacht;
Ich also muß weinen und scheiden,
Es ist ja die Welt schon erwacht.

Ich wollt', es gäb' keine Sonne,
Als eben dein Auge so klar,
Wir weilten in Tag und in Wonne,
Und schliefe die Welt immerdar.

RITTER TOGGENBURG

von
Friedrich Schiller


"Ritter, treue Schwesterliebe
Widmet Euch dies Herz;
Fordert keine andre Liebe,
Denn es macht mir Schmerz.
Ruhig mag ich Euch erscheinen,
Ruhig mag ich sehn;
Eurer Augen stilles Weinen
Kann ich nicht verstehn."

Und er hört's mit stummem Harme,
Reißt sich blutend los,
Preßt sie heftig in die Arme
Schwingt sich auf sein Roß,
Schickt zu seinen Mannen allen
In dem Lande Schweiz;
Nach dem heil'gen Grab zu wallen,
Auf der Brust das Kreuz.

Große Thaten dort geschehen
Durch der Helden Arm;
Ihres Helmes Büsche wehen
In der Feinde Schwarm;
Und des Toggenburgers Name
Schreckt den Muselmann;
Doch das Herz von seinem Grame
Nicht genesen kann.

Und ein Jahr hat er's getragen,
Trägt's nicht länger mehr;
Ruhe kann er nicht erjagen
Und verläßt das Heer;
Sieht ein Schiff an Joppe's Strande,
Das die Segel bläht,
Schiffet heim zum theuren Lande,
Wo ihr Athem weht.

Und an ihres Schlosses Pforte
Klopft der Pilger an;
Ach, und mit dem Donnerworte
Wird ihm aufgethan:
"Die Ihr suchet, trägt den Schleier,
Ist des Himmels Braut,
Gestern war des Tages Feier,
Der sie Gott getraut."

Da verlässet er auf immer
Seiner Väter Schloß,
Seine Waffen sieht er nimmer,
Noch sein treues Roß;
Von der Toggenburg hernieder
Steigt er unbekannt,
Denn es deckt die edeln Glieder
Härenes Gewand.

Und erbaut sich eine Hütte
Jener Gegend nah,
Wo das Kloster aus der Mitte
Düstrer Linden sah;
Harrend von des Morgens Lichte
Bis zu Abends Schein,
Stille Hoffnung im Gesichte,
Saß er da allein.

Blickte nach dem Kloster drüben,
Blickte stundenlang
Nach dem Fenster seiner Lieben,
Bis das Fenster klang,
Bis die Liebliche sich zeiget,
Bis das theure Bild
Sich ins Thal herunter neigte,
Ruhig, engelmild.

Und dann legt' er froh sich nieder,
Schlief getröstet ein,
Still sich freuend, wenn es wieder
Morgen würde sein.
Und so saß er viele Tage,
Saß viel Jahre lang,
Harrend ohne Schmerz und Klage,
Bis das Fenster klang,

Bis die Liebliche sich zeigte,
Bis das theure Bild
Sich ins Thal herunter neigte,
Ruhig, engelmild.
Und so saß er, eine Leiche,
Eines Morgens da;
Nach dem Fenster noch das bleiche
Stille Antlitz sah.

Donnerstag, 28. Januar 2010

GESANG DER GEISTER ÜBER DEM WASSER

von
Johann Wolfgang Goethe


Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.

Strömt von der hohen,
Steilen Felswand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und leicht empfangen
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.

Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.

Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind mischt vom Grund aus
Schäumende Wogen.

Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!

SELIGE SEHNSUCHT

von
Johann Wolfgang von Goethe

Sagt es niemand, nur den Weisen,
weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebend'ge will ich preisen,
das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
die dich zeugte, wo du zeugtest,
überfällt dich fremde Fühlung,
wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
in der Finsternis Beschattung,
und dich reißet neu Verlangen
auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
kommst geflogen und gebannt,
und zuletzt, des Lichts begierig,
bist du, Schmetterling, verbrannt.

Und solang du das nicht hast,
dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde.

PHÄNOMEN

von
Johann Wolfgang Goethe


Wenn zu der Regenwand
Phöbus sich gattet,
Gleich steht ein Bogenrand
Farbig beschattet.

Im Nebel gleichen Kreis
Seh ich gezogen,
Zwar ist der Bogen weiß,
Doch Himmelsbogen.

So sollst du, muntrer Greis,
Dich nicht betrüben.
Sind gleich die Haare weiß,
Doch wirst du lieben.

Sonntag, 24. Januar 2010

KLAGE

von
Georg Trakl


Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang dieses Haupt:
Des Menschen goldnes Bildnis
Verschlänge die eisige Woge
Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen
Zerschellt der purpurne Leib
Und es klagt die dunkle Stimme
Über dem Meer.
Schwester stürmischer Schwermut
Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
Unter Sternen,
Dem schweigenden Antlitz der Nacht.

Donnerstag, 21. Januar 2010

FRÜHLINGSTRAUM

von
Wilhelm Müller
(Aus dem Zyklus "Die Winterreise")


Ich träumte von bunten Blumen,
So wie sie wohl blühen im Mai;
Ich träumte von grünen Wiesen,
Von lustigem Vogelgeschrei.

Und als die Hähne krähten,
Da ward mein Auge wach;
Da war es kalt und finster,
Es schrien die Raben vom Dach.

Doch an den Fensterscheiben,
Wer malte die Blätter da?
Ihr lacht wohl über den Träumer,
Der Blumen im Winter sah?

Ich träumte von Lieb′ und Liebe,
Von einer schönen Maid,
Von Herzen und von Küssen,
Von Wonne und Seligkeit.

Und als die Hähne kräten,
Da ward mein Herze wach;
Nun sitz ich hier alleine
Und denke dem Traume nach.

Die Augen schließ′ ich wieder,
Noch schlägt das Herz so warm.
Wann grünt ihr Blätter am Fenster?
Wann halt′ ich mein Liebchen im Arm?


Mittwoch, 20. Januar 2010

DAFFODILS

by
William Wordsworth


I wandered lonely as a cloud
That floats on high o'er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host, of golden daffodils;
Beside the lake, beneath the trees,
Fluttering and dancing in the breeze.

Continuous as the stars that shine
And twinkle on the milky way,
They stretched in never-ending line
Along the margin of a bay:
Ten thousand saw I at a glance,
Tossing their heads in sprightly dance.

The waves beside them danced; but they
Out-did the sparkling waves in glee:
A poet could not but be gay,
In such a jocund company:
I gazed - and gazed - but little thought
What wealth the show to me had brought:

For oft, when on my couch I lie
In vacant or in pensive mood,
They flash upon that inward eye
Which is the bliss of solitude;
And then my heart with pleasure fills,
And dances with the daffodils.

Dienstag, 19. Januar 2010

WARTET NUR

von
Heinrich Heine


Weil ich so ganz vorzüglich blitze,
Glaubt Ihr, daß ich nicht donnert könnt!
Ihr irrt Euch sehr, denn ich besitze
Gleichfalls fürs Donnern ein Talent.

Es wird sich grausenhaft bewähren,
Wenn einst erscheint der rechte Tag;
Dann sollt Ihr meine Stimme hören,
Das Donnerwort, den Wetterschlag.

Gar manche Eiche wird zersplittern
An jenem Tag der wilde Sturm,
Gar mancher Palst wird erzittern
Und stürzen mancher Kirchenturm!

Sonntag, 17. Januar 2010

IMMERGRÜN

von
Friederike Kempner


Immergrün trotz Zeit und Wetter,
Pflänzchen, zart und fest und schön,
Smaragdfarben Deine Blätter,
Könntest bei den schönsten steh'n.

Denn der Freieste von Allen,
Dessen Blick man nie bestach,'
Rousseau fand an Dir Gefallen,
War gerührt, wenn er Dich brach.

Wenn er Deinen zarten Stengel
Selten froh in Händen nahm,
Zagend, forschend, suchend Mängel,
Und zum Vorschein keiner kam. –

Pflänzchen, liebstes mir von allen,
Ewig bleibst Du teuer mir,
Rousseau konntest Du gefallen:
Dank für seine Freuden Dir!

UNDER DER LINDEN

von
Walter von der Vogelweide


Under der linden
an der heide,
da unser zweier bette was,
da mugent ih vinden
schone beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schone sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangen
zuo der ouwe
do was min friedel kommen e.
da wart ich empfangen,
- here frouwe! -
daz ich bin saelic iemer me.
er kuste mich wol tusent stunt,
tandaradei,
seht we rot mir ist der munt.

Do hat er gemachte
also riche
von bloumen eine bette stat.
des wirt noch gelacht
innecliche
kumt iemen an das selbe pfat.
bi den rosen er wol mac,
tandaradei,
merken wa irz houet lac.

Daz er bi mir laege,
wessez iemen
(nu enwelle got!) so schamt ich mich.
wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz wan er und ich
und ein kleinez vogellin,
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sin.

Freitag, 15. Januar 2010

DER SCHATZGRÄBER

von
Johann Wolfgang von Goethe


Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt ich meine langen Tage.
Armut ist die größte Plage,
Reichtum ist das höchste Gut!
Um zu enden meine Schmerzen,
Ging ich einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.

Und so zog ich Kreis um Kreise,
Stellte wunderbare Flammen,
Kraut und Knochenwerk zusammen:
Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelehrte Weise
Grub ich nach dem alten Schatze
Auf dem angezeigten Platze;
Schwarz und stürmisch war die Nacht.

Und ich sah ein Licht von weitem,
Und es kam gleich einem Sterne,
Hinten aus der fernsten Ferne.
Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten:
Heller ward's mit einem Male
Von dem Glanz der vollen Schale,
Die ein schöner Knabe trug.

Holde Augen sah ich blinken
Unter dichtem Blumenkranze;
In des Trankes Himmelsglanze
Trat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken,
Und ich dacht: es kann der Knabe
Mit der schönen lichten Gabe
Wahrlich nicht der Böse sein.

Trinke Mut des reinen Lebens!
Dann verstehst du die Belehrung,
Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
Nicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!
Tages Arbeit, abends Gäste!
Saure Wochen, frohe Feste!
Sei dein künftig Zauberwort.

Donnerstag, 14. Januar 2010

HÄLFTE DES LEBENS

von
Friedrich Hölderlin


Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Kiüssen
Tunkt ihr das Haupt
In das heilignüchterne Wasser.

Wehe mir, wo nehme ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
klirren die Fahnen.

STEHE STILL

von
Mathilde Wesendonck


Sausendes, brausendes Rad der Zeit,
Messer du der Ewigkeit;
Leuchtende Sphären im weiten All,
Die ihr umringt den Weltenball;
Urewige Schöpfung, halte doch ein,
Genug des Werdens, laß mich sein!

Halte an dich, zeugende Kraft,
Urgedanke, der ewig schafft!
Hemmet den Atem, stillet den Drang,
Schweiget nur eine Sekunde lang!
Schwellende Pulse, fesselt den Schlag;
Ende, des Wollens ew'ger Tag!
Daß in selig süßem Vergessen
Ich mög alle Wonnen ermessen!

Wenn Aug' in Auge wonnig trinken,
Seele ganz in Seele versinken;
Wesen in Wesen sich wiederfindet,
Und alles Hoffens Ende sich kündet,
Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen,
Keinen Wunsch mehr will das Innre zeugen:
Erkennt der Mensch des Ew'gen Spur,
Und löst dein Rätsel, heil'ge Natur!

Dienstag, 12. Januar 2010

AN EINEM WINTERMORGEN VOR SONNENAUFGANG

von
Eduard Mörike

O flaumenleichte Zeit der dunkeln Frühe!
Welch neue Welt bewegest du in mir?
Was ists, daß ich auf einmal nun in dir
Von sanfter Wollust meines Daseins glühe?

Einem Kristall gleicht meine Seele nun,
Den noch kein falscher Strahl des Lichts getroffen;
Zu fluten scheint mein Geist, er scheint zu ruhn,
Dem Eindruck naher Wunderkräfte offen,
Die aus dem klaren Gürtel blauer Luft
Zuletzt ein Zauberwort vor meine Sinne ruft.

Bei hellen Augen glaub ich doch zu schwanken;
Ich schließe sie, daß nicht der Traum entweiche.
Seh ich hinab in lichte Feenreiche?
Wer hat den bunten Schwarm von Bildern und Gedanken
Zur Pforte meines Herzens hergeladen,
Die glänzend sich in diesem Busen baden,
Goldfarbgen Fischlein gleich im Gartenteiche?

Ich höre bald der Hirtenflöten Klänge,
Wie um die Krippe jener Wundernacht,
Bald weinbekränzter Jugend Lustgesänge;
Wer hat das friedenselige Gedränge
In meine traurigen Wände hergebracht?

Und welch Gefühl entzückter Stärke,
Indem mein Sinn sich frisch zur Ferne lenkt!
Vom ersten Mark des heutgen Tags getränkt,
Fühl ich mir Mut zu jedem frommen Werke.
Die Seele fliegt, so weit der Himmel reicht,
Der Genius jauchzt in mir! Doch sage,
Warum wird jetzt der Blick von Wehmut feucht?
Ists ein verloren Glück, was mich erweicht?
Ist es ein werdendes, was ich im Herzen trage?
– Hinweg, mein Geist! hier gilt kein Stillestehn:
Es ist ein Augenblick, und Alles wird verwehn!

Dort, sieh, am Horizont lüpft sich der Vorhang schon!
Es träumt der Tag, nun sei die Nacht entflohn;
Die Purpurlippe, die geschlossen lag,
Haucht, halbgeöffnet, süße Atemzüge:
Auf einmal blitzt das Aug, und, wie ein Gott, der Tag
Beginnt im Sprung die königlichen Flüge!

ABENDGEDANKEN EINER GOTTSELIGEN SEELE

Kehre wieder zu deiner Ruhe, meine Seele, denn der Herr thut dir Gutes. (Ps. 116)
von
Gerhard Teersteegen
(1697 - 1769)


Der Abend kommt, die Sonne sich verdecket,
Und alles sich zur Ruh und Stille strecket.
O meine Seel', merk' auf! wo bleibest du?
Om Gottes Schoo?, sonst nirgend find'st du Ruh'.

Der Wandersmann legt sich ermüdet nieder;
Das Vöglein fleugt nach seinem Nestchen wieder;
Das Schäflein auch in seinen Stall kehrt ein;
Lach mich in dich, mein Gott, gekehret seyn.

Ach! sammle selbst Begierden und Gedanken,
Die noch so leicht, aus Schwachheit, vor dir wanken:
Mein stall, mein Nest, mein Ruhplatz, thu dich auf,
Da ich in dich, von allem andern, lauf.

Recht väterlich hast du mich heut'geleitet,
Bewahrt, verschont, gestärket und geweidet:
Ich bin's nicht werth, daß du so gut und treu:
Mein Alles dir zum Dank gegeben sey.

Vergib es, Herr, wo ich mich heut' verirret,
Und mich zu viel durch dies und das verwirret!
Es ist mir Leid, es soll nicht mehr geschehn;
Nimm mich nur ein, so werd ich fester stehn.

Da nun der Leib sein Tageswerk vollendet,
Mein Geist sich auch zu seinem Werke wendet,
zu beten an, zu lieben inniglich,
Im stillen Grund, mein Gott, zu schauen dich.

Die Dunkelheit ist da, und alles schweiget,
Mein Geist vor dir, o Majestät, sich beuget:
In's Heiligtum, in's Dunkle, kehr' ich ein,
Herr! rede du, laß mich ganz stille sein.

Mein Herz sich dir zum Abendopfer schenket,
Mein Wille sich in dich gelassen senket:
Affekten schweigt! Vernunft und Sinnen, still!
mein müder Geist im Herren ruhen will.

Dem Leib' wirst du bald seine Ruhe geben;
Laß nicht den Geist zerstreut in Unruh' schweben;
Mein treuer Hirt, führ' mich in dich hinein,
In mir, mit dir, kann ich vergnüget seyn.

Im Finstern sey des Geistes Licht und Sonne;
Im Kampf und Kreuz mein Beistand, Kraft und Wonne:
Dech mich bei dir in deiner Hütte zu,
Bis ich erreich die volle Sabbathsruh'.

Montag, 11. Januar 2010

JCH SCHLIESSE DAS FELD

aus: "PEGNESISCHES SCHÄFERGEDICHT"
von Georg Philipp Harsdörfer (1607 - 1658)
und Johann Klaj (1616 - 1656)

Jch schliesse das Feld!
Es fallen und falben die Blätter und Wasen /
Die Winde des Winters nun rasen und blasen /
Sie weisen den Wiesen des Reffes Gezelt:
Noch rümet man meinen benameten Namen /
Von bundlich und rundlich gewundenenen Samen.
Jch schliesse das Feld!
Geringe Begabung der Ringe bezirke
Die Hertzen / und liebes Beständigkeit wirke /
Die Rundes des niemals geendet vermeldt /
So ringen /so springen nun beyde mit beyden
Ihr Hoffen ist offen / in steigen Freuden /
Jch schliesse das Feld.

Sonntag, 10. Januar 2010

FORTIS UT MORS DELECTIO

Auff seine und seiner Ehegeliebten Vermählung
von
Andreas Gryphius


Reine Lieb ists / die nichts zwinget /
Ob der Erden Abgrund kracht;
Ob durch schwartze Lüffte dringet
Der entbranten Stralen-Macht.
Keiner Thaten Wunder-Wercke
Dampfen treuer Liebe Stärcke.

Spannt der Tod schon seinen Bogen /
Stecjt er Trauer-Fackeln an!
Sie hat ihre Sehn gezogen /
der nichts wiederstehen kan.
Jhre Glut brennt / wenn wir Erden
Und zur Handvoll Aschen werden.

Wenn die Helle sich erschüttert
Und mit Ach! und Folter schreckt /
Und der Aengsten Angst sich wüttert
Wird ihr Eyver mehr entsteckt.
Lieb ist nichts / denn Glut und Flammen /
Wie Gott Licht und Feur zusammen.

Lasst die stolzen Wellen toben /
Schäumt ihr Meere! braust und schmeist
Wenn der strenge Nord von oben
Jn deß Saltzes Täuff einreist:
Wird doch Wind und Wassers kämpffen /
Nicht den Brand der Liebe dämpffen.

Lieb ist / der nichts gleich zu schätzen /
Wenn man alles Gold der Welt
Gleich wolt' auff die Wage setzen:
Lieb ist / die den Außschlag hält /
Lieb ist trotz der Silber-Hauffen /
Nur durch Liebe zu erkaufen

Samstag, 9. Januar 2010

SCHWEIG NACHTIGALL

von
Yunus Emre
(gestorben 1321)
Nachdichtung und Üversetzung von Gisela Kraft
(1936 bis 2010)


schweig nachtigall / im garten ist leid /
weil du bist / freund / ich anderswo /
mein docht verbracht / mein wachs geschmolzen /
weil du bist / freund / ich nirgendwo

ich fluß / im meer zerteilt /
ich rose ohne zeit /
ich asche ohne feuer /
weil du bist / freund / ich lichterloh

was sie mir taten / du weist es /
umwickelst meine wunde mit toten /
ich vierzig jahre mit den hirschen im gebirge /
weil du bist / freund / ich irgendwo

ich stückweis / ich ganz / PIR SULTAN ABDAL /
keine speise / kein wasser mehr /
ich erhängt / aus liebe zu gott /
weil du bist / freund / ich anderswo


Anmerkung:

Süleymann der Prächtige in seinem Serail Topkapi - Hizir Pascha, sein Befehlsverwalter, auf dem Weg in die aufsässigen ortsprovinzen - Tahmasp der Safawide, gehetzt von den Ansprüchen seiner Feinde und seiner Getreuen, den Kizilbasch - Pir Sultan Abdal, der Partisan, mit einem Trupp von dreiundsiebzig mann (nach Auskunft eines Liedes) auf einer Höhe, abwartend -

Die Schicksale dieser vier verliefen nach den Bedingungen der sogenannten Glanzzeit des osmanischen Reiches



Quelle:
Yunus Emre, Pir Sultan Abdal (2. Auflage 1984) Mit Bergen mit Steinen - Nachdichtung und Randtexte: Gisela Kraft, Harran Verlag Berlin (S. 33)

Freitag, 8. Januar 2010

KOMM, BRAUNE NACHT

von
Dichter unbekannt
(17. Jahrhundert)


Komm braune nacht / umhülle mich mit schatten /
Und decke den mit deiner schwärtze zu /
Der ungestört sich will mit sonnen gatten
Und im bezirck der engel suchet ruh /
Ja hilff mein ach / eh du noch wirst verschwinden /
Mit linder hand von meiner seele binden.

Wie / hör' ich nicht / willkommen mein verlangen!
Schon im gemach mit leiser stimme gehn?
Fühl' ich mich nicht mit lilien umfangen /
Und meinen fuß auff diesen grentzen stehn /
Wo mir Celinde wird aus thränen lachen /
Aus flammen eiß / aus bette himmel machen.

So tilge nun / o heldin! meine schmertzen /
Wirff mit dem flor die leichte zagheit hin /
Laß meine hand mit deinem reichthum schertzen /
Und mich entzückt das schöne thal beziehn /
Da sich im thau die stummen lüste kühlen /
Und tag und nacht mit ihren farben spielen.

Dein heisser mund beseele mich mit küssen/
Hilff / wenn ich soll an deiner brust versehrn/
Durch linden biß der flüchtigen narcissen
Mir ausgestreckt die stille freude mehrn /
Und möchtest du ja deinen krantz verlieren /
Solln perlen doch die schönen haare zieren.

Mein wort erstirbt / die seele will entweichen /
Ach laß sie doch in enge himmel ein /
Laß schiff und mast in deinen hafen schleichen /
Und deine hand selbst meinen Leitstern seyn /
Du solt alsbald die eingeladne gaben /
Nebst voller fracht statt der belohnung haben.

Mittwoch, 6. Januar 2010

SEHNSUCHT NACH OSCAR

von
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk

Der Himmel ist so trübe,
Es scheint nicht Mond noch Stern,
Und Oskar den ich liebe
(Ach! izt so fern, so fern)
Versprach mit Hand und Munde
Beim Aueinandergehn,
Gerad’ um diese Stunde
Zum Himmel aufzusehn.

O willst du nicht erscheinen,
Daß unsre Blicke sich
Auf dir, o Mond, vereinen,
der uns so oft beschlich,
Wenn Worte das nicht sagten,
Was Thränen kaum hinzu
Zu setzen, furchtsam wagten,
Die Niemand sah als du?

Wenn Liebe, nicht zu sprechen,
ja kaum zu seufzen wagt:
Ist sie denn ein Verbrechen,
Das vom Gewissen nagt?
So hab ich kein Gewissen,
So hab ich nur ein Herz!
Denn o nach tausend Küssen
Fühlt jenes keinen Schmerz.

Die Sehnsucht schleicht mit Schmerzen
Sich zwar zu mir heran;
Doch steckt nur eure Kerzen,
Orion, Hesper, an!
Dann fällt mit einem Male
Auf euch des Trauten Blick,
und o mit eurem Strale
Auch bald auf mich zurück!

Dienstag, 5. Januar 2010

DIE EINE KLAGE

von
Caroline von Günderode

Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt was er verlohren,
Lassen muß was er erkohren,
Das geliebte Herz,

Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein.

Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt' ein Wesen liebgewinnen
O! den tröstet's nicht
Daß für Freuden, die verlohren,
Neue werden neu gebohren:
Jene sind's doch nicht.

Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Giebt kein Gott zurück.

Montag, 4. Januar 2010

ZWEI SCHWARZE RABEN

von
Max Dauthendey

Zwei Schwarze Raben streichen
Geduckt am Acker hin,
Ihr Flug ist wie voll Zeichen
Und voll geheimem Sinn,
Als wollten Dämonen entweichen.

Die Himmel plötzlich klopfen
Auf Steine und auf Staub,
Aus Wolken fallen Tropfen
Und blättern in dem Laub.

Wie finstre Tarnenkappen,
Drin eins versteckt sich hält,
Fällt Rab' um Rab' ins Feld.

Die tropfen im Himmel stocken,
Die Raben hüpfen und hocken —
Lieb' und Hunger umlungern die Welt.
Jetzt ganz im Stillen die Felder reifen

Nun beugen sich im Feld die Ähren,
Und junge Äpfel die Zweige beschweren,
Rote Kirschen sitzen im Baum und lachen;
Kannst Freude schmecken und 's Auge zumachen.

Jetzt ganz im stillen die Felder reisen,
Und Feld und Garten mit Früchten sich steifen.
Die Erde will in die Breite gehen,
Hat geliebt und kann keinen hungern sehen

Sonntag, 3. Januar 2010

EIN WINTERLIED

von
Christian Morgenstern


Wintersonnenwende!
Nacht ist nun zu Ende.
Schenktest, göttliches Gestirn,
neu dein Herz an Tal und Firn.

O der teuren Brände,
hebet hoch die Hände.
Lassest uns die Guten loben,
Liebe, Liebe dir da droben.

Wintersonnenwende!
Nacht hat nun ein Ende.
Tag hebt an, goldgoldner Tag.
Blühn und Glühn und Lerchenschlag.

O du Schlummers Wende!
O du Kummers Ende!

Samstag, 2. Januar 2010

DAS GRAB AM BUSENTO

von
August Graf von Platen


Nächtlich am Busento lispeln
bei Cosenza dumpfe Lieder;
Aus den Wassern schallt es Antwort,
und in Wirbeln klingt es wieder!

Und den Fluß hinauf, hinunter
zieh'n die Schatten tapfrer Goten,
Die den Alarich beweinen,
ihres Volkes besten Toten.

Allzu früh und fern der Heimat
mußten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken
seine Schulter blond umgaben.

Und am Ufer des Busento
reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten,
gruben sie ein frisches Bette.

In der wogenleeren Höhlung
wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam,
mit der Rüstung auf dem Pferde.

Deckten dann mit Erde wieder
ihn und seine stolze Habe,
Daß die hohen Stromgewächse
wüchsen aus dem Heldengrabe.

Abgelenkt zum zweiten Male,
ward der Fluß herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette
schäumten die Busentowogen.

Und es sang ein Chor von Männern:
"Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht
soll dir je dein Grab versehren!"

Sangen's und die Lobgesänge
tönten fort im Gotenheere;
Wälze sie, Busentowelle,
wälze sie von Meer zu Meere!