Dienstag, 12. April 2011

DER WASSERGREIS

von Karl Marx

Wasser rauscht so seltsam dort,
Kreist sich in Wellen fort,
Glaubt wohl! es fühle nicht,
Wie sich die Woge bricht,
Kalt sei's im Herzen, kalt in dem Sinn,
Rausche nur, rausche nur hin.

Doch in den Wellen, im Abgrund heiß,
Sitzt gar ein alternder Greis,
Tanzt auf, tanzt ab, wenn der Mond sich zeigt,
Wenn Sternlein aus Wolken steigt,
Springt gar seltsam und ringt gar sehr,
Will trinken das Bächlein leer.

Wellen sind ja die Mörder sein,
Zehren und nagen des Alten Gebein,
Grinzt ihm eisig durch Mark und Glied,
Wenn er die Wogen so springen sieht,
Schneid't gar ein bängliches Wehgesicht,
Bis Sonnenglanz Mondtanz verbricht.

Wasser rauscht dann so seltsam dort,
Kreist sich in Wellen fort,
Glaubt' wohl, es fühle nicht,
Wie sich die Woge bricht,
Kalt sei's im Herzen, kalt in dem Sinn,
Rausche nur, rausche nur hin.

Sonntag, 3. April 2011

DANN

von
Else Lasker-Schüler


... Dann kam die Nacht mit deinem TRaum
Im stillen Sternebrennen.
Und der tag zog lächelnd an mir vorbei
Und die wilden Rosen atmeten kaum.

Nun sehn ich mich nach Traumesmai,
Nach deinem Liebeoffenbaren.
Möchte an deinem Munde brennen
Eine Traumzeit von tausend Jahren





Quelle:
Else Lasker-Schüler (1997) Die Gedichte 1902 - 1943, herausgegeben von Friedhelm Kemp, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main (S. 86)